[Radde, Grundzüge der Pflanzenverbreitung in den Kaukasusländern] Einleitung

Einleitung.

Litterarische Hilfsquellen.

1. Kurze Geschichte der botanischen Forschungen in den Kaukasus-Ländern.

Es sind gerade 180 Jahre dahingegangen, seitdem durch Josephus Pitton de Tournefort das Studium der kaukasischen Flora eröffnet wurde. Im 3. Bande der französischen Originalausgabe seines Werkes: Relation d'un voyage du Levant, fait par ordre du Roi, etc. finden wir in den Briefen XVII—XIX pag. 44—2 51 die Beobachtungen, welche der Reisende, zunächst von Trapezunt ausgehend, über Erzerum und von da über den nördlichen Taurus und den Trialet wandernd, bis nach Tiflis machte. Im letzten der Briefe wird dann auch über das Akstafathal, Etschmiadsin und den Ararat berichtet. Die Weiterreise geschah den Araxes aufwärts über Hassan-Kale wieder nach Erzerum. Es ist also nur der südwestliche und centrale Teil von Transkaukasien besucht worden, und zwar vornehmlich Hocharmenien. Bei dem Aufstiege zum Ararat wurden keine bedeutenden Höhen erreicht, denn das geringe, unterste, isolierte Schneefeld, welchem man, vom Durst gequält, zustrebte, mag Ende Juli wohl noch in kaum 2400 m gelegen haben. Alle Beobachtungen Tournefort's zeugen von Vielseitigkeit und großem Scharfsinn, so auch die botanischen. Für die damalige Zeit sind seine Beschreibungen klassisch und die Abbildungen dürfen auch heute noch die Kritik nicht fürchten. Nach beiden lassen sich die Arten mit Sicherheit erkennen. Tournefort weist unter anderem auf die klimatischen Excesse Hocharmeniens hin, er erwähnt der Nachtfröste zur Hochsommerzeit in Höhe von ca. 1800 m (6000 F.) bei dennoch ungestörter Entfaltung der Vegetation. Aus jener Zeit stammen seine für Hocharmenien so charakteristischen Genera: Gundelia und Morina.

Reichlich ein halbes Jahrhundert verging, bevor sich der botanische Forschungsgeist wieder dem Kaukasus zuwendete. Diesmal drang er vom hohen Norden — wie jede andere Wissenschaft mit Liebe durch die erhabene [p.2:] Kaiserin Katharina II. gepflegt — bis zum Fuße des Kaukasus und über seinen Schneekamm fort, in die blühenden Gefilde Transkaukasiens.

Johann Anton Güldenstädt, ein Rigenser von Geburt, der seine medizinischen Studien in Berlin gemacht hatte, war der Glückliche, die Befehle Ihrer Majestät auszuführen. Seine gesamte Reisezeit dauerte 7 Jahre, von 1768 bis 1775. Davon wendete er dem Kaukasus, und zwar soweit das damals möglich dem gesamten, drei Jahre 1770 bis 1773 zu. Im Winter des Jahres 1770 finden wir ihn in Kisljar (von Zarizin und Astrachan kommend) und er untersucht dann die ganze Ebene, entlang dem östlichen Nordfuße der Hauptkette, das Tereksystem mit den ihm tributären Zuflüssen, die aus den Bergen kommen, auch den Sulak und seine Quellzuflüsse, die Koissu's; mit einem Worte: den ganzen südöstlichen Teil an der Nordseite, vom Centrum desselben ausgehend, und das gesamte davor lagernde Steppentiefland. Im folgenden Jahre 1771 gilt seine Arbeit dem centralen Kaukasus. Wir treffen ihn bei den Ossen und Digoren an und er durchquert im September von Tschim nach Duschet das Hochgebirge, um nach Georgien zu kommen. In Transkaukasien bleibt er mit dem Hauptsitz in Tiflis bis zum Spätherbst von 1772, kommt ostwärts bis nach Kachetien, westwärts in das gesamte Rion-Bassin, auch in sein gebirgiges Quellland, die Radscha. Wir finden dann den unermüdlichen, schon damals kranken, Gelehrten im Winter 1772 wieder in Kisljar. In der ersten Hälfte von 1773 beendet er seine kaukasischen Reisen mit den Untersuchungen der Quellflüsse des Terek und der Beschtau-Gruppe und begiebt sich zum Don. Ein frühzeitiger Tod (er starb, nur 36 Jahre alt, am Typhus in Petersburg) setzte seiner Arbeit ein jähes Ende. Des großen Peter Simon Pallas Verdienst war es, die Schriften Güldenstädt's auf Kosten der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften zu publizieren (1787—1791). Beide Gelehrte waren sehr vielseitig. Botanik und Zoologie finden in ihren Werken gleiche Beachtung, aber der Hauptzweck ihrer Reisebeschreibungen wird in der allseitigen Schilderung der Länder, welche sie durchwanderten, erfüllt und diese Werke sind bis auf den heutigen Tag, abgesehen vom Veralteten, auch bisweilen Missverstandenen, dennoch die Grundpfeiler, an welche sich der weitere Ausbau unserer Kenntnisse von Land und Leuten stützt. Güldenstädt giebt in seinen Werken oft gesondert gedruckte, lange Listen über die gesammelten Pflanzen, so z. B. von den Ufern des Terek, aus der Umgegend von Tiflis, vom Alasan und vom Beschtau; andere finden wir im fortlaufenden Text eingeschaltet.

Die Arbeiten von P. S. Pallas haben ihren Schwerpunkt in Sibirien, wohin ihn seine erste Reise von 1768—1772 führte. Während seiner zweiten Reise 1793 und 1794 durchzieht er dann, von Astrachan kommend, die Tiefsteppen der Kuma, tritt dem Gebirge von Georgiewsk her näher, weilt an der Beschtau-Gruppe und kommt bis zum Baksan. Es werden aus diesem Gebiete vielerorts von ihm Pflanzen aufgeführt, doch sind die Beiträge nur gering.

Des jüngeren Gmelin's, Samuel Gottlieb, Reise durch Russland macht uns mit dem W.- und S.-Ufer des Kaspi bekannt. Er kommt von Astrachan [p.3:] nach Derbent, Baku, geht nach Schemacha, dann durch die Mugan nach Salian und weilt längere Zeit am Südufer des Binnenmeeres von Enseli bis Astrabad. Seine Angaben über die Pflanzen jener Gegenden haben gegenwärtig kaum eine Bedeutung.

Zwei Systematiker leiten im ersten Decennium unseres Jahrhunderts die botanischen Studien für Südrussland, die Krim und den Kaukasus ein. Es sind das Friedrich Marschall von Bieberstein und Christian von Steven. Letzterer war damals ein junger Mann und ist ein halbes Jahrhundert als botanischer Schriftsteller thätig gewesen; seine erste Arbeit, eine Dekade neuer Pflanzen, erschien 1809 und i. J. 1857 schloss er mit dem »Verzeichnis der auf der taurischen Halbinsel wild wachsenden Pflanzen« ab. Als Schreiber dieses ihn 1862 auf seinem Landsitze bei Simferopol besuchte, war er frisch und interessierte sich trotz so hohen Alters immer noch für seine Freunde, die Pflanzen. (Ich hatte 1852—53 in seinem gastlichen Hause Aufnahme gefunden und für ihn Pflanzen gezeichnet.) Beide Autoren haben streng systematisch geschrieben. Marschall von Bieberstein führt in der Flora taurico-caucasica 2322 phanerogame Arten aus seinem Gebiete an; Steven schließt sein Verzeichnis der phanerogamen Krim-Pflanzen mit Nr. 1654 ab. In dem Supplementbande zur Flora taurico-caucasica, welcher erst 1819 erschien, sind die kleineren Beiträge von Lepechin, Adams, Rudolph, Hoffmann verwertet. Auch die Ergebnisse der Reise von Engelhardt und Parrot wurden darin aufgenommen, die bedeutendsten Erweiterungen aber lieferte wiederum Chr. v. Steven, welcher 1811 im Kaukasus sammelte.

Mit dem Jahre 1812 tritt zuerst C. v. Ledebour auf. Auch seine Thätigkeit als botanischer Schriftsteller nimmt reichlich vierzig Jahre in Anspruch und umfasst die Gesamtflora des russischen Reiches. Durch seine Reise in den Altai gewinnt er zwar für Sibirien eine entschiedene Vorliebe, unterzieht die Arbeiten des älteren Gmelin seiner Kritik und edirt 500 Tafeln Abbildungen, aber in seinem großen Sammelwerke über die Flora des unermesslichen russischen Reiches, in der Flora rossica, welches alles bis dahin zusammengebrachte Material vereinigt, kritisch sondert und ordnet, ist ledebour dem Kaukasus vollauf gerecht geworden.

Die beiden bedeutenden Monographen, Carl Trinius für die Gramineen und Willibald Besser für das Genus Artemisia gehören der Periode Ledebour's an. Das kaukasische Material dieser beiden Geschlechter ist mit dem sonstigen verschmolzen worden. Um die Mitte der vierziger Jahre schließen sie mit ihren Arbeiten ab; der erstere nach 27 jähriger, der letztere nach 36 jähriger Thätigkeit. Kleinere Beiträge lieferten in dieser Zeit Ludwig Treviranus durch die Bearbeitung der von Blume bei Astrachan und im Kaukasus gesammelten Pflanzen und Julius Dumont d'Urville, dessen Forschungsfeld aber nur die Küste des Pontus von Odessa bis Suchum-Kale in sich fasst. [p.4:] Mit dem Beginne der dreißiger Jahre geht für Russland ein neuer Stern am botanischen Himmel auf. Das ist Carl Anton Meyer. Für den Kaukasus arbeitete er allein, sonst im Vereine mit Friedrich Fischer und Alexander Bunge. Die kaukasischen Arbeiten behandeln das Material, welches 1829 und 1830 während der auf Allerhöchsten Befehl ausgeführten kaukasischen Reise zusammengebracht wurde. Von besonderer Wichtigkeit sind die Pflanzen vom Elbrus und von Talysch an der S.-W.-Küste des Kaspi. Es werden in der akademischen Ausgabe (1831) 1965 phanerogame Pflanzen, darunter viele neue Arten, genannt und beschrieben. C. A. Meyer giebt als Erster überall Höhenangaben, freilich nur in runden Zahlen und nach Toisen (Hexapoden) gemessen. Jene Expedition ist auch insofern denkwürdig, als es damals zum ersten Male gelang, aus dem Lager des Generals Emanuel am Fuße des Elbrus, wo die Akademiker Lenz, Kupfer, Meyer und der Franzose Ménétries lebten, den Gipfel des 5660 m hohen Vulkans zu ersteigen, zwar nicht durch einen der Gelehrten, wohl aber durch den Kabardiner Kiljar.

An die Periode von C. A. Meyer schließen sich für die dreißiger Jahre in subordinierter Bedeutung zunächst Eduard Eichwald und Rudolph Hohenacker, dann A. v. Nordmann und J. Kaleniczenko. Pastor Hohenacker, welcher in Elisabethpol ansässig war, sammelte selbst sehr eifrig und hatte dabei auch Hilfe von einigen intelligenten württembergischen Kolonisten. Er ist bis jetzt, soweit mir bekannt, der Einzige, welcher kaukasische Pflanzen centurienweise in den Handel brachte, und stand mit den Spezialisten des In- und Auslandes der Bestimmungen wegen in regem Verkehr. Als er schon lange den Kaukasus verlassen hatte, kaufte ich bei Begründung des kaukasischen Museums sein Originalherbarium, dessen Wert weniger in den aufgeklebten Exemplaren, als vielmehr in den Bestimmungen lag, denn diese stammten von Fischer, C. A. Meyer, Steven, Fenzl u. A. Hohenacker veröffentlichte zwei Kataloge. Der eine betrifft die Pflanzen des Gebietes von Elisabethpol und Karabagh (890 Phanerog., 10 Farne), der andere diejenigen von Talysch (1347 Phanerog., 22 Farne) mit 37 neuen Arten. Kaleniczenko's Verdienste um die Flora des Kaukasus beschränken sich auf die Beschreibung einiger weniger neuen Arten. Auch Nordmann publiziert 13 neue, von Ledebour creierte Phanerogamen aus dem westlichen Kaukasus, in einer anderen Arbeit 14 Farne und 45 Moose (2 neue Arten), welche bruch bestimmt hatte.

Bis zur Mitte des Jahrhunderts und darüber hinaus arbeiten die vorher genannten ersten Größen: Ledebour, C. A. Meyer, Trinius, Steven emsig fort. Mit dem Jahre 1832 tritt Rudolph von Trautvetter auf, ich komme sehr bald auf ihn zurück. Ende der vierziger Jahre sehen wir Karl Koch und Friedrich Buhse für den Kaukasus wirken. Koch hat uns außer den speziell botanischen Arbeiten auch anziehende Schilderungen von seinen Reisegebieten geliefert. Die erste Reise, 1836—38 wurde in zwei Bänden, die zweite, 1844 und 45 in dreien beschrieben. Die botanischen Resultate dagegen veröffentlichte Koch in Schlechtendal's Linnaea XV—XXIV, [p.5:] 1841—1851. Koch war auch der erste, welcher den Versuch machte, die von ihm auf dem Isthmus und in Armenien proponierten zehn Vegetations-Regionen kartographisch zu verzeichnen.

Das von Buhse geförderte Material wurde von Boissier für die »Flora orientalis“ verwertet und erschien auch 1860 in einem ausführlichen Verzeichnisse in den Memoiren der Naturf. Gesell, von Moskau. In den Berichten über seine Reisen (1847—49) in Transkaukasien und Persien finden sich nur Notizen. Von kleineren Arbeiten aus dieser Zeit will ich noch den Beitrag Godet's im 4. Bande von Du Bois de Montepereux's berühmtem Werke: Voyage autour du Caucase, erwähnen. Es werden darin 426 Phanerog. und 4 Farne vom Beschtau und seiner Umgebung aufgeführt. In russischer Sprache wurden ferner von Radoshizki Artikel über die Vegetation der Ostküste des Schwarzen Meeres und von Jensch Pflanzen- und Sämereien-Verzeichnisse aus dem süd-westlichen Kaukasus veröffentlicht. Sokolow's Notiz über die Strecke am Westufer des Kaspi von Petrowsk bis zum Samur hat nur geringen Wert.

Dagegen sind Abich's Angaben über das Höhenvorkommen der Holzgewächse im Kleinen, Kaukasus sehr erwünscht, weil sie aus jenen Gegenden die ersten waren und der Beobachter sich durch Genauigkeit auszeichnet.

In gleicher Weise reihen sich auch im Verlaufe des nächsten Decenniums bis 1860 inkl. mancherlei kleinere Arbeiten an die bedeutenderen. Von den letzteren wäre A. Bunge's Verzeichnis der Pflanzen Abich's, im ganzen 472 sp., darunter auch die vom Ararat, 82 Phanerogamen mit 9 neuen Arten, zu erwähnen, ferner Tschichatscheff's Mitteilungen im 3. Bande seines »Asie mineure«. Spezielle Beiträge lieferte zu Beginn der sechziger Jahre eduard regel über Scilla, Thalictrum und Aconitum. Trotz seiner vielseitigen praktischen Thätigkeit hat dieser ungewöhnlich energische Mann sehr viel geschrieben. Sein Lieblingsgebiet lag aber für die systematischen Arbeiten in Turkestan und Centralasien. Das kaukasische Material verwertete er nur gelegentlich, so auch in seiner Monographie des Genus Allium. Die Kaukasier überließ er R. v. Trautvetter.

Von der russisch-kaukasischen Flora in ihrer Anwendung auf Landwirtschaft von Owerin und Sitowsky ist nur der erste Band — Ranunculaceen bis Mimoseen — erschienen, sie hat für den Spezialbotaniker keinen großen Wert. Dasselbe Schicksal, unvollendet zu bleiben, haben N. v. Seidlitz' »bot. Ergebnisse einer Reise durch das östliche Transkaukasien und den Aderbeidshan« gehabt; der Autor kam nur bis zu den Polygaleae. Schtscheglejew und Beketow gaben kleinere Artikel, der erstere beschrieb 7 neue Arten, der letztere schilderte die Flora von Tiflis.

In mehrfächer Hinsicht ist der Zeitraum von 1860—1870 von ganz besonderer Wichtigkeit für die weitere Pflege der botanischen Kenntnisse unseres Landes geworden. Von den russischen Gelehrten nimmt in ihm Franz Ruprecht den bedeutendsten Platz ein. Ihm schließt sich würdig R. v. Trautvetter an, der bis an sein Lebensende die kaukasischen Collectionen, welche von mir, Christoph, Becker u. A. gestellt wurden, bearbeitete und doch [p.6:] noch für die hochnordischen Zeit fand. Auch vollendete H. Bunge in diesem Zeitraum seine klassische Monographie der Astragalen (971 Arten, davon 286 russische) und endlich stellte Edmond Boissier den I. Band seines Riesenwerkes „Flora orientalis“ fertig. Wollen wir zunächst über F. Ruprecht's kaukasische Publikationen eingehender sprechen. Die Kais. Akademie der Wissenschaften hatte dieses ihr Mitglied für die Jahre 1860 und 61 in den Kaukasus, und zwar in den Daghestan, der mit dem Falle Schamyl's leidlich ruhig, war, entsendet. Dieser große Gebirgsgau war vielerorts so gut wie unbekannt. Ruprecht wählte im Hochgebirge für seine Untersuchungen die Tebulos- und Bogosgruppen und östlicher namentlich die des Dulty-dagh.

Mehrfach wurde das Gebirge durchquert und das Land der Tuschen, Chefsuren, Pshawen betreten. Doch hat Ruprecht auch beiderseits in den Vorbergen der Hauptkette, an der N.-Seite westlich in Ossetien, an der S.-Seite im Colchischen Gebiete (Radscha) und ferner bei Achalzich und Abastuman, sogar im Trialet und auf der Kura-Rion Wasserscheide gearbeitet. Ruprecht war ein ebenso guter Mathematiker als Botaniker und Lateiner. Mit peinlicher Sorgfalt berechnete er seine Höhenmessungen und unterzog sie nicht selten mehrfacher Revision. Nicht weniger als 468 barometrische Messungen wurden während seiner zweijährigen Reise ausgeführt. In der reichhaltigen Zusammenstellung des lateinischen Textes finden wir überall dieselbe Gründlichkeit.

Quellen- und Autoren-Citate in chronologischer Anordnung, erschöpfende Fundorts- und Sammler-Namen, lange, fast monographisch gehaltene Abhandlungen füllen 300 Quartseiten und doch kam der fleißige Autor nur bis Vitis in seiner Flora Caucasi. Ein frühzeitiger Tod setzte unerwartet seiner breitangelegten Arbeit die Grenze.

R. v. Trautvetter, welcher schon 1832 mit seiner Abhandlung über die Weiden als botanischer Schriftsteller aufgetreten war, lieferte bis 1866 eine große Anzahl von Abhandlungen, von denen nur wenige den Kaukasus betrafen (Faldermannia, Sameraria, Isatis, Goniolimon, Lagowskia). Mit dem Beginne meiner Reisen im Kaukasus hat er aber alles, was ich an Phanerogamen sammelte, bearbeitet, also von 1864 bis 1887 (er starb 1889). Ich teilte stets meine Pflanzenausbeute in drei Partien. Der Kaiserl. bot. Garten in St. Petersburg, dem ich die Ehre habe seit 1855 (sibirische Reise) zu dienen, erhielt eine, v. Trautvetter die zweite Serie, die dritte verblieb meinem Museum.

Alle drei waren mit Parallelnummern, Sammeldaten, Fundorten und oft auch mit Höhenangaben etikettiert. Während ich in Tiflis meine ausführlichen Reiseberichte für die Petermann'schen geographischen Mitteilungen niederschrieb, hatte Trautvetter den größten Teil meiner Pflanzen schon bestimmt, woraus mir der Vorteil erwuchs, diese Bestimmungen in meinen Text, wo es nötig war, einzuschalten. Überdies aber wuchs mit der Zeit das Herbarium des Museums zu einer stattlichen, systematisch geordneten Sammlung heran in welcher das Originalherbarium Hohenacker's, vereint mit den Bestimmungen trautvetter's und anderen Beiträgen (Ruprecht, Owerin, Regel, Medwedew, Smirnow), den Hauptstock bilden. [p.7:]

Über die gigantische Arbeit Edmond Boissier's habe ich nicht nötig viel zu sagen. Das weitumgrenzte Gebiet, welches seine Flora umfasst, schließt die Kaukasusländer mit ein. Wir finden darin alles, was über sie bis 1888 publiziert wurde, verwertet. Der reiche Schweizer verwendete 21 Jahre auf seine bewunderungswürdige Arbeit, entsendete gelehrte Sammler in die entlegenen, bis dahin botanisch noch nicht erschlossenen Gegenden und sorgte dafür, dass nach seinem Tode sein Institut »L'Herbier Boissier« in Chambesy bei Genf weiter bestehe. In einem Supplementbande setzte zuerst Buser die Arbeit fort und Eugène Autran förderte sie im Bulletin de l'herbier Boissier weiter. Wer mit der Flora orientalis arbeitet, hat meistens nicht nötig, die frühere Literatur zu durchstöbern, es sei denn, dass er Quellenstudien machen wolle. Für Alle, welche fern von den wenigen Orten leben, an denen man erschöpfende Spezialliteratur finden und benutzen kann, ist das Werk ein wahrer Schatz.

In eben diesem Zeitraum werden von russischer Seite Nachrichten über die Vegetation von praktischem Werte veröffentlicht. Nach der endlichen Unterwerfung auch des westlichen Kaukasus mit seinen Adighe-Völkern entsendete die Regierung eine Commission, aus Landwirten und Forstleuten bestehend, welche über die Küstenzone am Schwarzen Meere von Abchasien bis Nowo-Rossiisk berichten sollte. Diese Arbeiten der Herren Chatisow und Rotinianz haben mehr einen wirtschaftlichen, als botanischen Charakter. Von dem letzteren der beiden Herren wurde auch eine statistische Beschreibung der Wälder Abastumans geliefert. Dagegen wendet J. Medwedew seine Aufmerksamkeit bei der Beschreibung der Wälder des Scharopan'schen Kreises vom Gouvernement Kutais (also Colchis) den Vegetationszonen zu und unterscheidet ihrer vier, nämlich die von Carpinus Betulus, 1500—3000 r. Fuß, von Fagus 3000—6ooo r. F., von Picea orientalis 6000—7000 r. F. und die basalalpine von 7000 bis 9000 r. F. Dr. Toropow, welcher die erste umfangreiche Arbeit über die sanitäre Geographie des Isthmus veröffentlicht und dabei vornehmlich die Fieberreviere vermerkt und charakterisiert, erwähnt bei dieser Gelegenheit auch der Pflanzen, namentlich derjenigen von Kutais. Tschaplin macht Mitteilungen über die Trüffel von Baku, Terfezia leonis. Eben dieselbe Lokalität behandelt grüner in seinen Plantae Bakuenses mit 218 Phanerog. - Spezies. Endlich bespricht Reinhardt 11 Farne Abchasiens und Sperk liefert eine Arbeit über die Algen des Schwarzen Meeres, 69 Arten, 14 davon neu, 2 neue Genera.

In dem Dezennium 1870—1880 gebührt für die Systematik v. Trautvetter der Hauptplatz. Fr. von Herder giebt nach älterem Material ein Verzeichnis der Lokalflora von Tiflis (196 Phaner.). A. Bunge verdanken wir aus dieser Zeit eine Monographie der Gattung Acantholimon (84 Arten, von denen 11 russ.), eine umfangreichere des Genus Oxytropis, eine über die mediterranen-orientalischen Heliotropien (70 Arten, 13 russ.) und der neuen Gattung Heliocarya. Als Monograph tritt ferner Regel mit seiner großen Arbeit über das Genus Allium auf (263 Arten, davon 106 russ.). Auch der [p.8:] Artikel des Baron Ungern-Sternberg über die Salicornien mit 26 Arten, von denen 7 russ., muss erwähnt werden. Der Arbeit Rehmann's über die Vegetationsformationen der Krim liegen weitere Gesichtspunkte zu Grunde, es handelt sich in ihr um summarische Erscheinungen der Flora, wie sie sich nach den physikalischen Unterlagen ausbilden. Das NW.-Ende des Kaukasus schließt sich mit seiner Pflanzenwelt direkt an die taurische Flora an, deshalb ist Rehmann's Arbeit für uns wertvoll. Die Artikel Medwedew's und Wasiljew's sind phytogeographischen Inhaltes und beziehen sich auf die Holzgewächse.

In dieser Zeit betreten das kaukasische Forschungsfeld neue, junge russische Arbeitskräfte. Von den älteren bringt Owerin einen Beitrag über Paeonia tenuifolia und über die Flora von Achalzich, Marggraf giebt Details über Buxus, P. Muromzow's kurzen Artikeln ist kein großer Wert beizulegen. Dagegen berechtigt N. Sredinski zu großen Hoffnungen. Er behandelt vornehmlich das Rionbassin, fügt für die Vertikalverbreitung zu den von Medwedew erwähnten Zonen noch die der Weißbirke hinzu und entdeckt unter den immergrünen Holzarten das Genus Phillyrea, dessen Repräsentanten er zwar für neu hält, (P. Medwedewi), der sich aber als P. Vilmoriniana Boiss. erweist. Dem Gebiete der Kryptogamen wenden sich J. Plutenko und L. Smejew zu. Der erstere giebt uns Auskunft über 157 kaukasische Algen und 90 Moose, der letztere beschäftigt sich mit den Algen der Mineralquellen von Pjatigorsk.

Die Namen der »alten Herren« Bunge und Trautvetter finden wir auch in dem Zeitraum von 1880—1890. Ein Kapitalwerk ist aus dieser Zeit zu erwähnen, es hat nicht nur einen wissenschaftlichen, sondern auch einen praktischen Wert. Ein Forstmann im Kaukasus kann ohne dasselbe kaum bestehen. Es ist das von J. Medwedew in russischer Sprache verfasste Buch über die Bäume und Sträucher des Kaukasus. Darin sind 126 Genera mit 312 Arten beschrieben. Überall fügte der Verfässer die Lokalnamen hinzu, deren Ermittelung bei der bunten, sprachlich so vielfach gespaltenen Bevölkerung des Kaukasus keine kleine Mühe gemacht haben mag. Die geographische Verbreitung der Arten, sowohl in der Horizontalen, als auch in der Vertikalen ist nahezu erschöpfend behandelt, ihr schließen sich forstwirtschaftliche, ökonomische und medizinische Notizen an. Th. v. Köppen lieferte ein Werk über die Verbreitung der Nadelhölzer im europäischen Russland und im Kaukasus; später ein zweites über alle Holzgewächse desselben Gebietes. An dergleichen Arbeiten schließt sich eine spezielle, mustergültige, forstmännische Schrift, nämlich die von Medwedew und Gamrekelow verfasste statistische Beschreibung der Wälder der Domäne »Borshom«. Dieser Aufsatz erschöpft den Gegenstand allseitig, sowohl im botanischen, wie auch im forstwissenschaftlichen und ökonomischen Sinne. Die beiden Lokalfloren, welche A. Normann über die Umgegend von Stawropol (353 Arten) und A. v. Riesenkampf über die Flora von Pjatigorsk publizierten, haben nur einen untergeordneten Wert.

In V. Brotherus „Etudes sur la distribution des mousses au Caucase“ begrüßen wir den Vorläufer zu seiner „Enumeratio muscorum Caucasi“, welche [p.9:] 8 Jahre später in Helsingfors erscheint. Kuntze stellte in den »Plantae orientali-rossicae« Beiträge und Michael Smirnow begann ein Werk in breitester Veranlagung, von welchem ein frühzeitiger Tod ihn gewaltsam riss. Der Titel dieses Werkes lautet: »Enumération des espèces de plantes vasculaires du Caucase«. Scharfer Blick, kritischer Geist und vielseitige Bildung charakterisierten meinen dahingegangenen Freund smirnow. Er legte seiner systematischen Arbeit diejenigen Elemente der Wissenschaft zu Grunde, ohne welche die Systematik doch eigentlich nur toter Buchstabe für die weiteren Aufgaben der Botanik ist. In einer Einleitung von nicht weniger als 300 Druckseiten (oktav) erörtert er nicht etwa nur die geologischen, orographischen und meteorologischen Verhältnisse der Kaukasusländer, sondern schweift weit, leider schon damals von den Impulsen seines unheilbaren Übels affiziert, krankhaft aus und schadet dadurch in der Darstellung der Klarheit und wünschenswerten Kürze für sein Thema. Auf seine zwölf Vegetationsregionen im Kaukasus komme ich am Schlusse meines Werkes zurück.

In letzter Zeit sind die »alten Herren» von der botanischen Bühne, soweit sie den Kaukasus anbelangt, zurückgetreten — sie ruhen unter Blumen aus.

Junge Kraft, vorwaltend russische, hat das Panier ergriffen und setzt die Arbeit rüstig fort. Von 1890 an wird die Erforschung der kaukasischen Flora wesentlich durch jüngere russische Gelehrte gepflegt. An die Namen der Professoren A. Krasnow in Charkow, N. Kusnezow in Jurjef (Dorpat) schließen sich die von N. Albow, W. Lipsky, J. Akinfiew, A. Lomakin und J. Patschotski. Ihnen gesellen sich zwei in Italien lebende Gelehrte S. Sommier und E. Levier bei.

Von N. Albow, der Russland leider ganz verlassen und sein Glück in Buenos Aires gesucht und gefunden hat [Leider ist Albov, wie die letzten Nachrichten melden, in Buenos Aires gestorben.], besitzen wir außer einer großen Zahl von Separatartikeln im Prodromus florae colchicae sein letztes summarisches Werk. Es enthält fast alles, was er von 1891—1895 publizierte, wenigstens soweit es die Systematik betraf. Albow hatte sich einem Gebiete zugewendet, welches vor ihm nur flüchtig und hauptsächlich in der Küstenzone besucht worden war, nämlich Abchasien und die westlich angrenzenden Tscherkessenlande. Er ist keineswegs nur skrupulöser Systematiker, sondern fasst auch die Pflanzen in ihrer Abhängigkeit von Boden und Klima auf.

Er scheidet z. B. die charakteristischen Arten auf kalkiger Unterlage von denen des Urgesteins und Schiefers. Eine bedeutende Anzahl neuer Arten werden eingehend beschrieben und abgebildet, bei allen Lokal- und Höhenvorkommen notiert. Er führt aus dem gesamten colchischen Gebiete mit Benutzung meiner Materialien vom Jahre 1893, 1386 Arten Phanerogame mit 160 Varietäten und Formen und 32 Farne auf. Gleichzeitig mit ihm wurde auch von Lipsky Dioscorea caucasica entdeckt (1893) und in den Tiefländern des Rion das für das Gebiet neue Genus Rhamphicarpa (1893). [p.10:]

Die Arbeiten Krasnow's beginnen für unsere Zwecke an der unteren Wolga und dehnen sich über die Steppen fort zum Fuße des Gebirges und in diesem bis nach Hochsuanien. Der Autor betrachtet die Erscheinungen der gegenwärtigen Pflanzenwelt in ihrer Abhängigkeit von Klima und Boden und in ihren Beziehungen zu den jüngsten geologischen Epochen und der Eiszeit. Einen gleichen Charakter haben die Arbeiten Kusnezow's, am umständlichsten behandelt dieser die aus jungtertiärer Zeit erhaltenen Pflanzenarten der Mittelmeerflora im westlichen Kaukasus. Andererseits hat er in dem umfangreichen Werke über das Subgenus Eugentiana die dahin gehörenden Arten, einschließlich der kaukasischen, erschöpfend systematisch und geographisch erörtert. Von großem Nutzen ist ferner seine Übersicht der phytogeographischen Arbeiten in Russland. In den Publikationen von W. Lipsky finden wir außer den streng systematischen Arbeiten auch wichtige Nachweise über Verbreitung und Wanderung einiger Arten, nicht über das Gebirge, sondern am östlichen Ende um dasselbe und zwar sowohl von N. nach S., als auch von S. nach N. Die Verwandtschaft der Flora des N.W.-Endes vom Kaukasus mit der taurischen wird ebenfalls begründet.

J. Akinfiew hat die Flora vom oberen Kalaus in ihrem Anschlüsse an die Steppenvegetation behandelt und seiner Schrift die geologische Bildung, sowie die Prozentsätze des Bodens an Humus zu Grunde gelegt und weist nach, dass die Stawropolhöhen auch in vegetativer Hinsicht die Grenze für die richtigen Schwarzerdesteppen gegen W. und die mehr oder weniger davon abweichenden und in die kaspischen zuletzt ausartenden Thon- und Salzsteppen bilden. In letzter Zeit hat J. Akinfiew für den centralen Kaukasus eine Arbeit über die nieder- und hochalpine Flora geliefert; er führt 301 Arten auf, giebt für alle die Standorte und das Höhenvorkommen an. Ich publizierte schon 1890 in den Schriften der Linnean Society in London ein Verzeichnis über 182 hochalpine Kaukasier und habe nun mit Hinzuziehung der Angaben Akinfiew's und anderer den Gegenstand im nachfolgenden Buche weiter gefördert. J. Patschotski giebt uns floristische und phytogeographische Untersuchungen der Kalmykenländer und bereichert die Systematik mit einigen neuen und seltenen Arten. G. Dieck schildert seine vornehmlich den Holzgewächsen geltenden Reisen in Lazistan und Colchis, manche der selteneren hat er in Kultur genommen und weiter verbreitet. Mit einigen Beiträgen beteiligte sich noch der ebenfalls jetzt schon verstorbene Professor J. Schmalhausen (Kiew), C. Winkler mit einer Synopsis der Cousinien und die erwähnten beiden Botaniker S. Sommier und E. Levier mit einer langen Reihe von Artikeln, mit Rücksicht auf die Ausbeute ihrer kaukasischen Reisen. Von den beiden letzteren Herren steht sehr bald ein großes botanisches Werk, welches unserem Gebiete gewidmet ist, in Aussicht. Überdies gab E. Levier 1894 ein coulant geschriebenes Buch: »A travers le Caucase« heraus, dessen Text vielfach von botanischen Notizen durchflochten ist. Endlich hat uns V. Brotherus mit seiner »Enumeratio muscorum Caucasi« beschenkt, wiederum mit einer hervorragenden Kapitalarbeit, 420 Moosarten in 88 Gattungen, [p.11:] 6 Sphagnumarten und 94 Lebermoose in 34 Gattungen wurden darin aufgezählt und, wo nötig, genau beschrieben. Die Fundorte bringt der Autor in Zonen; das meiste wurde in den drei Waldzonen, der oberen, mittleren und unteren, sowie in der alpinen gesammelt.

Ich selbst reise seit 1852, zuerst bis 1855 in der Krim, dann 1855—1860 in Ostsibirien [186o und 1862 als Begleiter der Akademiker v. Brandt und v. Baer in Südrussland.], seit 1863 im Kaukasus. Alle meine Pflanzen wurden im Kais. botanischen Garten von St. Petersburg und in Tiflis bestimmt. Meine Schriften, soweit sie botanische Mitteilungen enthalten, verzeichne ich in den folgenden Listen.

Dr. G. Radde, Tiflis, Juli 1897.

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